Laudatio Ralf-Dahrendorf-Preis für Lokaljournalismus 2017
Lob, Michael Ende
von Berthold Hamelmann
Sehr geehrtes Auditorium,
kennen Sie die Stadt Celle? Sie gilt als das südliche Tor zur Lüneburger Heide, hat eine wunderschöne Altstadt mit über 400 Fachwerkhäusern und ein Schloss im Stil der Renaissance und des Barocks. Und die rund 70000 Einwohner in diesem Teil des Bundeslandes Niedersachsen können drauf vertrauen, dass Verwaltung und Stadtrat natürlich nur das Beste für sie im Sinn haben. Sollte man meinen. Denn die irritierende Geschichte, die die Cellesche Zeitung 2016 aufdeckt, ist weit davon entfernt, eigentlich selbstverständliches Grundvertrauen in die Lenker von Lokalpolitik zu rechtfertigen. Bewahrheitet hat sich - das belegt der Fall eindeutig - einmal mehr die Redensart „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“
Kann das wirklich heute noch passieren? Da kommt ein Investor, der nicht kleckern, sondern klotzen möchte. Erste Zielskizzen gehen von einem gigantischen, mehrere hundert Millionen Euro teuren Industrieprojekt aus, das 1.800 neue Arbeitsplätze schaffen soll. Irgendwo auf der grünen Wiese, wo die Infrastruktur so schlecht ist, dass schon Kleinunternehmer dankend absagten.
„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, mag sich der zwischenzeitlich im September 2016 abgewählte SPD-Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende „trotz mancher offenen Frage“ gedacht haben, als er einen entsprechenden Grundstücksverkauf an den hoch willkommenen Investor aus Schleswig-Holstein durchziehen wollte. Gut eine Woche dominierte das Thema die Schlagzeilen, die die Geschichte hinreichend erzählen:
- 27. August 2016 (Titelseite): Hunderte Millionen für Celle?/ Stadtrat votiert für dubiosen Grundstücks-Deal
- 27. August 2016 (Lokalteil): Der 800 Millionen-Euro-Deal/Mysteriöser Super-Investor will in Celle 1800 Arbeitsplätze aus dem Boden stampfen
- 30. August 2016: Insider warnt vor „Hochstapler“/ Millionenschwere Maschinen bestellt und nicht bezahlt: Vorwürfe gegen Möchtegern-Investor
- 1. September 2016: Warten auf Stoppsignal für Deal/Ratspolitiker erfuhren erst aus CZ von Rendsburg-Pleite des mysteriösen Groß-Investors
- 2. September 2016: Phantom-Investition „hat sich erledigt“
- 3. September 2016: Ärger nach geplatztem Deal/ CDU befürchtet „Kollateralschaden“ bei seriösen Interessenten
Die Celler Luftnummer bricht in sich zusammen, als der Investor das Geld für den geplanten Grundstückskauf nicht wie vorgesehen überweist. Ende gut, alles gut? Einen finanziellen Schaden muss die Stadt Celle und damit auch ihre Bürger nicht beklagen. Dank der Arbeit eines gut vernetzten Lokalredakteurs, der detailreich und pointiert berichtet hat. Das Herstellen der Öffentlichkeit, die plötzliche Transparenz, beeinflusste die Politik zum Wohl der Allgemeinheit.
Medien besitzen nun einmal die Aufgabe und den Auftrag, Öffentlichkeit zu informieren und Entscheidungsträgern die öffentliche Meinung kundzutun. Durch Kontrolle und Kritik in Städten und Gemeinden wirken insbesondere Lokalzeitungen an der Meinungsbildung mit. Nicht umsonst garantiert Artikel 5 unseres Grundgesetzes die Meinungs- und Informationsfreiheit.
Für die erfolgreiche Erfüllung dieser Aufgabe hat sich - zugegebenermaßen - die Cellesche Zeitung schon ein wenig selbst gelobt. Aber Ehre, wem Ehre gebührt: Sehr geehrter Herr Ende, das Lob der Jury des Ralf-Dahrendorf-Preises für ihre ausgezeichnete Leistung kommt von Herzen.