Laudatio auf den dritten Preisträger: Wolfgang Messner und Daniel Gräber

Dr. Berthold Hamelmann

In Deutschland geht es üblicherweise höflich zu. Wir halten anderen die Tür auf, wir lassen unser Gegenüber ausreden – es sei denn, wir seien in einer Talkshow –, Verkäuferinnen wünschen einen "Schönen Tag noch" und Radiomoderatoren schon am Freitagmorgen ein "Schönes Wochenende". Für Fußgänger halten wir am Zebrastreifen selbstverständlich an, und als Autofahrer in Freiburg wissen wir, dass Radfahrer Wesen sind, über denen nur noch der blaue Himmel und der liebe Gott kommen.

im Auditorium sitzen heute vier Preisträger. Wie geht das bei drei zu vergebenden Plätzen, werden Sie sich jetzt alle sicherlich fragen? Des Rätsels Lösung: Es gibt zwei Preisträger, die die Jury auf Platz drei gesetzt hat.

Gratulation an Wolfgang Messner von der "Stuttgarter Zeitung" und Daniel Gräber von der Wochenzeitung "Der Sonntag".

Die Autoren eint ein Thema – das Schicksal der Hochrhein-Eggberg-Klinik in Bad Säckingen. Der eine, Wolfgang Messner, brachte als Erster Licht ins Dunkel eines gar wundersamen Klinikdeals. Der andere, Daniel Gräber, nahm die gelegte Fährte auf, bohrte tiefer, recherchierte weiter und überraschte Freund und Feind mit zwei lesenswerten, informativen Artikeln, die am Hochrhein mächtig Staub aufwirbelten.

"Da ich es als meine Aufgabe als Lokaljournalist betrachte, nicht nur Fragen zu stellen, sondern vor allem nach Antworten zu suchen, bleibe ich weiter an diesem Thema dran", versprach Daniel Gräber bei seiner Bewerbung. In der Tat – so funktioniert guter Lokaljournalismus. Wenn nötig, muss der Finger in die Wunde gelegt werden. Das tut manchmal manchem weh, dient aber der politischen Hygiene.

Vor beiden Kollegen zieht die Jury ihren Hut und sagt "Chapeau". Denn beide haben den sprichwörtlich "richtigen Riecher gehabt", wie die jüngste Vergangenheit belegt.
In der vergangenen Woche meldete die traditionsreiche Hochrhein-Eggberg-Klinik Insolvenz an. Der Eigentümerwechsel führte das Unternehmen also keinesfalls in ein ruhiges Fahrwasser.

Das von den Preisträgern aufgegriffene Thema ist allgegenwärtig, keinesfalls typisch für die Region und spricht letztlich jeden von uns an.

Es geht um Geld, viel Geld, um unser angeschlagenes Gesundheitssystem, um defizitäre Krankenhäuser und Klinkverbünde, schlechtes Management, überforderte Politiker, um Berater, die sich eine goldene Nase verdienen und für nichts haftbar gemacht werden, um windige Geschäftsleute, die auf den schnellen Profit aus sind und Arbeitnehmer, die plötzlich ihren Arbeitsplatz verlieren. Jedes dieser Themen allein ist schon einen Artikel wert.

Sie alle kennen den Satz, der zum Standardrepertoire eines PR-Profis gehört: "Tue Gutes und rede darüber." Läuft aber irgendwo etwas aus dem Ruder, trifft man im wahren Leben nicht selten auf Menschen, die der Devise "Tarnen, täuschen und vernebeln" huldigen.

So geschehen im Fall der Hochrhein-Eggberg-Klinik. Und es ist der Verdienst unserer beiden Autoren, durch intensives Recherchieren nicht nur diverse Bruchstücke einer schier unglaublichen Geschichte gefunden zu haben, sondern diese wie in einem 1000-Teile-Puzzle passgenau zu einem klaren Bild zusammengefügt zu haben.

Nur einige Fakten: Da gibt es mit dem Verbund der Hegau-Bodensee-Hochrhein-Kliniken einen Verkäufer in öffentlicher Hand, der u.a. die hoch defizitäre Hochrhein-Eggberg-Klinik in Bad Säckingen 2011 endlich veräußern will getreu dem Motto: "Koste es, was es wolle". (Klammer auf: Der Steuerzahler wird's schon richten. Klammer zu.)

Dem Käufer, einer erst 2010 in Hamburg gegründeten Deutsche Kliniken-Holding GmbH mit dem normalen Stammkapital von 25.000 Euro, gelingt ein Wahnsinn-Schnäppchen.

Er erwirbt diese Klinik für einen Euro – und ganz ohne Schulden. Denn die Schulden der Hochrhein-Eggberg-Klinik – sie beliefen sich 2011 auf 13,1 Millionen Euro – trägt der Verkäufer, der Verbund der Hegau-Bodensee-Hochrhein-Kliniken. Ein pikantes Detail, das im Rahmen der Recherchen offengelegt wurde.

Im Bieterverfahren hatte 2010 ein zweiter, örtlicher Bewerber aus Bad Säckingen angesichts der Schuldenlast das Handtuch geworfen. Der hatte die Hochrhein-Eggberg-Klink eben nicht schuldenfrei, sondern mit mindestens vier Millionen Euro Verbindlichkeiten übernehmen sollen. Sollte ein Konkurrent so abgeschreckt werden?

Ungereimtheiten über Ungereimtheiten. Oft erfuhren Beteiligte und Betroffene erst durch Anrufe der beiden Journalisten von geheim gehaltenen Tatsachen. Schließlich verweisen alle am Deal Beteiligten bis heute auf ihre "Verschwiegenheitspflichten".

Fazit: Mit über 20 Millionen Euro subventionierte ein finanziell angeschlagener Klinikverbund in öffentlicher Trägerschaft den Notverkauf einer Klinik an eine No-Name-Firma, die als privatwirtschaftliches Unternehmen ohne Aufsichtsrat oder ein anderes Kontrollgremium schalten und walten konnte und eine rosige Zukunft versprach.

Der Verdienst unserer beiden Preisträger besteht darin:

Journalisten sind keine Richter. Aber ihrer Wächterfunktion in unserer Demokratie sind sie in Person von Wolfgang Messner und Daniel Gräber in vorbildlicher Weise nachgekommen.

Als Mitglied der Jury möchte ich mich wiederholen: Chapeau!