Begrüßungsrede von Dr. Christian Hodeige

Sehr verehrte Lady Dahrendorf,
sehr geehrte, liebe Jury des Ralf Dahrendorf Preis für Lokaljournalismus,
sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger,
sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste,

zu Ehren meines, unseres Freundes, Mentors, Ratgebers, Gesprächspartners, Kritikers und Unterstützers Lord Ralf Dahrendorf verleiht die Badische Zeitung heute Preise für ausgezeichneten Lokaljournalismus. Ralf Dahrendorf hat die Gründungsüberlegungen dieses Preises noch miterlebt und war von Anfang an begeistert. Er war ein wahrer Freund und Verfechter der Tageszeitung, des Qualitätsjournalismus und der Pressefreiheit. Das Thema Freiheit war die zentrale Idee seines Lebens, heute so aktuell wie gestern und so notwendig für morgen. Lassen Sie mich ein paar kurze Bemerkungen an den Anfang stellen.

Pressefreiheit ist ein wesentlicher Pfeiler der Demokratie, wie wir sie in Zentraleuropa verstehen, nicht zuletzt die Morde in Paris haben dies, mal wieder, in aller Brutalität vor Augen geführt.

„Die Presse- und Meinungsfreiheit gehört zum Tafelsilber der westlichen Demokratien und ist ein derart hohes Gut, dass letztere ohne sie geradezu aufhörten Demokratien zu sein“, schreibt Hans-Dieter Fronz jüngst in der Badischen Zeitung.

Lassen sie mich noch einen großen Schritt zurückgehen. Es war die Französische Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (Barmherzigkeit) – die immer noch die wesentlichen Grundlagen unseres Staatsverständnisses definiert.

Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Rechtsstaat, Grundgesetz, freie Wahlen, Gewaltentrennung – und die Pressefreiheit – das sind die zentralen Werte unserer Demokratie.

Wenn die Politik, die Institutionen oder starke Interessensgruppen etwas unter den Tisch kehren möchten, Irrtümer und Fehler nicht öffentlich werden sollen, wenn man schon gar nichts zugeben will, dann ist es die freie Presse, sofern es sie gibt, die dagegen anschreibt und sich positioniert.

Drei für mich wichtige Beispiele:

Drei herausgegriffene Beispiele für die notwendige Arbeit der freien Presse in Deutschland.

Was ist gute Pressearbeit: harte Recherche, belastbare Quellen, alle Seiten – Opfer und Täter - hören, präzise Analyse und Aufbereitung der Fakten, nachvollziehbare Argumentation bei der Kommentierung.

Freies Denken soll sich in einer freien Presse niederschlagen.

Information, Einordnung, Aufklärung, Hintergrundwissen, Analyse, Kommentierung – das ist ein verantwortlicher Umgang mit den Fakten.

Was ist heute neu, was ist dazugekommen? Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen spricht heute von der „Fünften Gewalt“ und meint damit die Meinungsmacht der Leser im Zeitalter der Digitalisierung.

Irren die etablierten Medien – wird dies heute schonungslos und zeitgleich aufgedeckt.

Ob über Twitter, Facebook, WhatsApp, Instagram, in unzähligen Blogs oder auf Wikipedia tummeln sich heute mehr Menschen als bei allen klassischen Medien zusammen.

Das Internet befördert banale Oberflächlichkeit, ebenso wie hochspezialisiertes Fachwissen. Zerstreuung und Vertiefung. Journalistische Angebote die oft auf Recherche und Überprüfung der Fakten verzichten, oder die internationale Hitparade der 10 schönsten Kreuzspinnen – wo bleibt der Qualitätsjournalismus?

Das Internet hat den Weg freigemacht für alles, was nicht in der Zeitung steht oder im Fernsehen gesendet wird. Die Filterfunktion kann nun nachgeprüft werden! Der Gatekeeper ist keine schwarze Box mehr.

Wie arbeiten Journalisten, wie wird recherchiert, wird geprüft, gefragt, geforscht, geglaubt, gezweifelt, gestritten, korrigiert, zugegeben – das alles ist jetzt so transparent, wie nie zuvor.

Wir, die klassischen Medien müssen uns deshalb noch mehr Mühe geben, müssen noch konsequenter unseren Qualitätsanspruch hoch- und einhalten und erklären.

Und wir werden unsere Leser, Blogger, Netzaktivisten, Bürgerjournalisten und notorischen Motzer mehr einbinden müssen.

Soziale Medien sind der Schmelztiegel von journalistischen, unterhaltsamen, werblichen und persönlichen Inhalten. Der moderne Marktplatz, wo alles immer mehr vermischt wird und man zwischen einer fundierten Kommentierung oder einer persönlichen Meinungsäußerung kaum unterscheiden kann.

Darin liegt die Chance der alten Medien. Noch immer ist die Tageszeitung, auch gerade die Regional- oder Lokalzeitung, das vertrauenswürdigste Medium von allen. Noch immer wird die Tageszeitung als bester Begleiter durch den Tag, die Woche, eigentlich durch das ganze Leben angesehen.

Der Leser möchte aber heute den Erwerb einer Zeitung als Einladung zur Kommunikation verstanden wissen, auch das ist Neuland.

„Populismus ist einfach. Demokratie ist komplex: das ist am Ende vielleicht das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Formen des Bezugs auf das Volk“, so hat es Ralf Dahrendorf in einem Essay aus dem Jahr 2003 formuliert.

Ob rechts oder links, die Populisten haben Zulauf. Man macht Front gegen die Globalisierung, gegen die USA, gegen die Europäische Integration, gegen die etablierten Parteien. Man beansprucht, für das Volk insgesamt zu sprechen – das wird natürlich durch kein Wahlergebnis gerechtfertigt – aber „Wir sind das Volk!“ hallt es durch die Gassen.

Der Politikwissenschaftler Jan Peter Müller schreibt:

„Was die Populisten wirklich eint, ist die Vorstellung eines moralisch reinen Volkskörpers, dem Fremde aus gleich zwei Richtungen Schaden zufügen: zum einen die korrupten oder zumindest abgehobenen Eliten, zum anderen die buchstäblich Fremden, also ethnische oder religiöse Minderheiten und insbesondere Einwanderer. Beide verweigern der Nation vermeintlich ihre Loyalität: Die Eliten sind Teil eines kosmopolitischen Jetsets, die Minderheiten tragen immer etwas anderes als das Volk, beispielsweise den Islam, im Herzen. In Ungarn werden sie mit dem Ausdruck "fremdherzig" stigmatisiert. Außerdem, so vor allem eine osteuropäische Wahrnehmung, zahlen Eliten wie ethnische Minderheiten grundsätzlich zu wenig Steuern – und das seinerseits korrupte Brüssel hält über beide seine schützenden Hände.“ (Zitat Ende)

Meine Damen und Herren, gegen diese unseligen Vereinfacher, gegen die Immunisierung jeglicher Kritik müssen wir als freie Presse Stellung beziehen. Wir wollen und werden - auch bei der Badischen Zeitung - weiterhin für die offene und tolerante Gesellschaft und unser Demokratie-Verständnis aktiv eintreten, wenn es sein muss mit allem Nachdruck.


Rede von Werner D'Inka