Preisträger 2021

Nachforschen, nachhaken, nachfragen und immer die größeren Zusammenhänge im Blick: Das zeichnet die Gewinner des Dahrendorf-Preises für Lokaljournalismus aus. Er wurde im Museum der Badischen Zeitung in Freiburg verliehen.


Erster Preis: Eike Lenz von der Main-Post

Das Thema

"Wir verstehen Bahnhof", behauptet eine Investitionsgesellschaft selbstbewusst. Sie kauft in ganz Deutschland Bahnhofsgebäude, deren Betrieb sich für die Bahn nicht mehr rentiert – darunter auch den im fränkischen Kitzingen. Das altersschwache Gebäude wollen die Investoren wieder aus dem "Dornröschenschlaf" reißen. Doch den vollmundigen Versprechungen folgen keine Taten. Bei umfangreichen Recherchen in der ganzen Republik kommt ans Licht, dass die Gesellschaft an etwa 40 Standorten Hoffnungen geweckt, diese aber an keinem einzigen eingelöst hat.

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"Wie Eike Lenz nach und nach akribisch Fakten zusammenträgt, wie er nachforscht, nachhakt, nachfragt – das gehört in jedes Lehrbuch journalistischer Recherche", sagte Werner D’Inka, ehemaliger Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Lenz’ klarem Blick für Zusammenhänge sei es zu verdanken, dass er Strukturen zutage förderte, wo vieles zunächst nach Einzelfällen aussah.
Der erste Preis ist mit 5000 Euro dotiert.

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Zweiter Preis: Benjamin Schmidt von der Freien Presse Chemnitz und Alexander Roth vom Zeitungsverlag Waiblingen (Preis wird doppelt vergeben)

Das Thema

Drohbriefe, Pöbeleien und Hetze im Netz: Die Preisträger lassen Kommunalpolitiker zu Wort kommen, die den "Terror im Lokalen" erlebt haben. "Die Hemmschwelle scheint zu sinken", sagt der Waiblinger Oberbürgermeister Andreas Hesky. Die Chemnitzer Stadträtin und Landtagsabgeordnete Kathleen Kuhfuß erzählt, wie sie Rechtsextreme während einer Wahlkampfveranstaltung anschreien und ihr drohen, wie sie vergewaltigt werden soll. Andere sprechen nur anonym – aus Angst vor noch mehr Hass und Drohungen.

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Betroffene von Bedrohungen und Beleidigungen sollten unbedingt an die Öffentlichkeit gehen. Nur dann können sie hoffen, Solidarität zu erfahren, sagte Annette Hillebrand, ehemalige Leiterin der Akademie für Publizistik in Hamburg. Die beiden Preisträger hätten dazu die notwendige Vor- und Mitarbeit geleistet. "Das war und ist nicht nur ehrenvoll. Das ist Journalismus at its best."
Der zweite Preis ist jeweils mit 3000 Euro dotiert.

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Dritter Preis: Sven Wagner von der Südthüringer Zeitung

Das Thema

Ein ehrenamtlicher Bürgermeister einer kleinen Gemeinde gleitet in die Querdenkerszene ab. Er besucht eine Demonstration. Anschließend negiert er in einem Rundschreiben für sein Dorf die dort zahlreich dokumentierten rechtsextremen Umtriebe und ruft zum Medienboykott auf. Auf dem Messenger-Dienst Telegram verbreitet er mutmaßlich Verschwörungsmythen und menschenverachtende Beiträge. Die Kommunalaufsicht enthebt den Bürgermeister vorläufig seines Amtes. Für die Geschichte hat Wagner ein halbes Jahr lang teilweise investigativ recherchiert und den Telegram-Kanal ausgewertet.

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"Hier bringt ein Journalist quasi ein aktuelles Sittengemälde unserer Republik zu Papier – ohne zu verurteilen", sagte Berthold Hamelmann, stellvertretender Chefredakteur der Neuen Osnabrücker Zeitung. Es sei ein unerhörter Vorgang von hoher öffentlicher Relevanz, den Wagner exklusiv aufgedeckt habe. Bei der Spurensuche habe er sich nicht im Labyrinth von Informationsschnipseln verirrt.
Der dritte Preis ist mit 2000 Euro dotiert.

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Lob der Jury: Simon Haas, Datenjournalist für die Badischen Neuesten Nachrichten

Das Thema

Eine Geschichte über Bäume?. Langweilig – dachten zuerst sogar die Kollegen. Aber der Datenjournalist Simon Haas lässt sich nicht beirren. Er recherchiert, – auch gegen den Widerstand der Karlsruher Stadtverwaltung – und trägt akribisch Daten und Zahlen zusammen. Am Ende der Recherche stehen eine digitale Karte und die Erkenntnis, dass viele der 77.000 Straßenbäume in Karlsruhe keine Zukunft haben, weil sie für ihren Standort ungeeignet sind. Einige – mit bis zu 20 Zentimeter langen Dornen – sind sogar regelrecht gefährlich.

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"Der Autor vereint eine Tugend, die uns Zeitungsmacher schon immer auszeichnete mit einer, die wir erst in der jüngsten Zeit lernen mussten: Die erst genannte ist Hartnäckigkeit und die zweite Technikaffinität", lobte Ulrike Trampus, Chefredakteurin der Ludwigsburger Kreiszeitung. Haas habe den größeren Zusammenhang erkannt und sei an dem Thema auch gegen Widerstände drangeblieben.
Das Lob der Jury ist nicht dotiert.

Laudatio Lobende Erwähnung


Reden zur Preisverleihung:

Rede von Schirmherrin Lady Christiane Dahrendorf

Festrede von BZ-Chefredakteur Thomas Fricker


Fotos und Video:

Bilder von der Preisverleihung im BZ-Museum

Die Preisverleihung im Video