Preisstifter

Warum die Badische Zeitung einen Preis für Lokaljournalismus stiftet, der den Namen ihres Freundes Ralf Dahrendorf trägt.

Er fehlt! So ist unsere schlichte, wenig überraschende und immer noch sehr schmerzhafte Empfindung nach seinem Tod im Jahre 2009. Ralf Dahrendorf war ein Wegbegleiter, ein Ratgeber und Freund, wie er besser nicht vorstellbar war. Es waren die vielen Felder gemeinsamer Interessen und Zuneigungen, manchmal auch Begeisterungen, aber auch gemeinsamer Kritik und Antipathien, die uns verbanden. Und es gab daneben immer noch ein weiteres Feld: der Sinn für hintergründigen Humor, die englische Lust am feinen Spott, der Spaß über das reale Kabarett des Lebens, das Ralf und uns in einer Art Seelenverwandtschaft verband.

Wie wir, liebte Ralf Dahrendorf Zeitungen, besonders Regionalzeitungen und das journalistische Handwerk. Er war als regelmäßiger Essayist und Kolumnist in der ZEIT und anderen großen deutschen und Schweizer Zeitungen, auch während seiner Jahre in London und Oxford, stets in Deutschland präsent gewesen. Er unterhielt all die Jahre auch ein schönes altes Holzhaus in Bonndorf im Schwarzwald. Dort sind nicht nur viele seiner Bücher entstanden, er sah sich auch als aktives Mitglied der Dorfgemeinde, saß oft stundenlang an Stammtischen, hörte zu und diskutierte mit. Und er studierte die beiden in Bonndorf vertretenen Regionalzeitungen mit großem Interesse. So war er über Jahrzehnte ein wohlwollender und kritischer Begleiter der Badischen Zeitung.

Ende des Jahres 1997 gab es dann in Freiburg einen, von großem öffentlichem Interesse getragener, Konflikt über den Zukunftskurs der Zeitung. Kritiker befürchteten eine "Boulevardisierung" und "Verflachung". Ralf Dahrendorf bot spontan seine persönliche Unterstützung an, da er "die Badische" über Jahre schätzen gelernt hatte, und wurde Anfang 1998 offizieller Berater der Herausgeber und der Redaktion. Er schrieb regelmäßig Leitartikel, gab Interviews, äußerte sich in vielen Diskussionen über die Zukunft der Regionalzeitungen und über seine besondere Wertschätzung der Badischen Zeitung. In dieser hektischen Zeit, die auch mit vielen persönlichen Angriffen auf uns, und unsere Familien verbunden war, erwuchs eine Freundschaft und Ralf Dahrendorf wurde zu dem wertvollen Gesprächspartner und Ratgeber in turbulenten Zeiten.

Für die liberale Badische Zeitung war es eine ganz besondere Auszeichnung, einen der großen Intellektuellen Europas und einen Vordenker des deutschen Nachkriegsliberalismus an ihrer Seite zu wissen. Dahrendorf war eine der prägenden Figuren der letzten 20 Jahre, dem wir sehr viel verdanken. Dahrendorf war ein echter Weltbürger, der sich aber immer auch um die Legitimation des Nationalstaates sorgte. Er war im klassischen Sinne des Wortes liberal und stand seiner deutschen FDP, wie den englischen Liberal Democrats oft mehr als skeptisch gegenüber. Er verurteilte den politischen Totalitarismus, wie den dann folgenden fundamentalistischen, nationalen, wie religiösen Totalitarismus und sah seine Liberalen, seine Erasmus-Menschen einmal mehr in der Defensive. Wir stritten uns über den Euro, dessen Einführung er sehr kritisch sah, über die Rolle Chinas in der Welt, dessen politisches System er natürlich rundweg ablehnte und über die Europäische Union in Brüssel, die er, der ehemalige EWG-Kommissar, sehr mit Missfallen und -trauen verfolgte.

Daneben hatte Dahrendorf auch klare Vorstellungen, wie guter Lokaljournalismus gemacht werden sollte, "Dass die Badische Zeitung unter den vor allem regional verankerten Zeitungen eine besondere Stellung einnimmt, hat mehrere Gründe: die Eigenart der Region, die Spitzenleistungen und Bodenständigkeit - die Universität Freiburg und das Badnerlied - auf einzigartige Weise verbindet; Redakteure, die diese Verbindung verstehen und zum Teil selbst repräsentieren; eine zugleich ideenreiche und solide Leitung, die Neues nicht scheut und Altes nicht verachtet". Diskussionen mit Dahrendorf waren immer spannend und fordernd, aber auch von einer herzlichen Emotionalität und, wie oben schon angedeutet, von viel Humor getragen.

Ralf Dahrendorf hatte immer auch die Gabe einer zeitgleichen Innen- und Aussensicht, einer Betrachtung aus englischer und deutscher Sicht, er konnte die Rolle des Beobachters- und des Betroffenen zeitgleich annehmen. Er nennt diese Haltung den "Straddler", den Grenzgänger zwischen Geist und Leben, zwischen reiner Wissenschaft und öffentlicher Verantwortung: "Ich bin ein Straddler, den die Überzeugung nicht verlassen hat, dass wir die menschlichen Dinge mit immer neuen Versuchen - und Irrtümern - voranbringen können. Opportunity und Diversity, Chancen für alle in einer bunten Vielfalt des Daseins: so etwas schwebt mir vor."
Und bei diesem "Voranbringen" sind die Regionalzeitungen eine prägende Kraft, sie stiften Identität und sind ein Spiegel der Gesellschaft, die in Deutschland eher dezentral strukturiert ist und aus ihrer Differenziertheit Stärke bezieht. Die unabhängige, regionale Qualitätszeitung mit ihren engagierten Journalisten, die mit ihren regionalen und lokalen Kommentaren einerseits eine Außensicht ermöglichen, andererseits der Lokalteil auch immer Teil des Gemeinwesens ist, bleibt für Dahrendorf für Generationen unverzichtbar, sie ist wie sein "täglich Brot". Wir haben vor seinem Tod mit ihm über einen Preis für Lokaljournalismus, der seinen Namen tragen soll, gesprochen. Er war begeistert! Seine Witwe Christiane Dahrendorf hat die Schirmherrschaft übernommen und hilft so mit, das Erbe Ihres Mannes zu pflegen. Wir verneigen uns vor seinem Lebenswerk und wollen mit diesem Ralf-Dahrendorf-Preis die uns alle verbindende Wertschätzung für guten Lokaljournalismus fördern.